Digitale Dekade: Europäische Erklärung für digitale Rechte veröffentlicht
5G, Cloud-Computing oder andere digitale Entwicklungen: Die digitale Transformation schreitet weltweit unaufhörlich voran – auch Europa muss und möchte mithalten oder sogar international Maßstäbe setzen. So präsentierte die Europäische Kommission ihre Zielvorstellungen und Wege, die den digitalen Wandel in Europa bis 2030 begleiten sollen. In unserem heutigen Beitrag zeigen wir die Hintergründe dieser Überlegungen auf, geben Ihnen die Inhalte der Erklärung über digitale Rechte zusammengefasst wieder und zeigen die nächsten geplanten Schritte auf. Außerdem haben wir Stimmen zu den digitalen Rechten eingefangen und zeigen auf, warum die digitalen Rechte einen hohen Stellenwert für künftige Gesetzgebungen haben werden.
Digitale Rechte als Teil der digitalen Dekade
Die Europäische Kommission präsentierte bereits am 9. März 2021 Zielvorstellungen sowie Wege für die digitale Transformation in Europa bis ins Jahr 2030. Das ist eine unabdingbare Notwendigkeit, denn Technologien wie 5G oder Cloud-Computing sowie weitere digitale Entwicklungen zeigen, dass der digitale Wandel zunehmend voranschreitet. Europa möchte hier mithalten, sodass mit dem digitalen Kompass konkrete Pläne zum Umsetzen der EU-weiten Digitalziele aufgeführt wurden.
Die EU-Kommission hatte die digitale Dekade ausgerufen und möchte diese vorantreiben (vertiefende Informationen dazu erhalten Sie in unserem Beitrag „Digitale Dekade: Europas Weg ins digitale Zeitalter“). Sich daran orientierend, veröffentlichte die EU-Kommission am 26. Januar 2022 die „Europäische Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade“.
Inhalte der Erklärung über digitale Rechte
Die Erklärung über digitale Rechte und Grundsätze dient künftigen politischen Entscheidungen und dem unternehmerischen Handeln als Leitfaden. Um dies umzusetzen, wurden die digitalen Rechte und Grundsätze in sechs Kapitel eingeteilt (PDF-Download des 8-seitigen Entwurfs):
- Menschen im Fokus der digitalen Transformation: Technik soll sämtlichen Menschen in der EU dienen und zugutekommen. Menschen sollen in die Lage versetzt werden, Ziele mit voller Sicherheit und unter Wahrung ihrer Grundrechte zu verwirklichen.
- Inklusion sowie Solidarität: Alle Menschen sollen Zugang zu Technik haben. Diese soll dazu dienen, Menschen zu einen. Ziel des digitalen Wandels sollte eine gerechte Gesellschaft und Wirtschaft sein.
- Wahlfreiheit im Internet: Dieses Kapitel zielt auf das Interagieren mit Algorithmen und Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI) ab. Jeder Mensch soll von der KI profitieren, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, aber auch, um vor Risiken bezüglich der eigenen Gesundheit und Sicherheit geschützt zu sein.
- Teilhabe im digitalen öffentlichen Raum: Personen sollten Zugang zu einem vielfältigen, multilingualen und vertrauenswürdigen Online-Umfeld haben. Durch vielfältige Inhalte soll eine pluralistische öffentliche Debatte gelingen, die es allen ermöglicht, am demokratischen Leben beteiligt zu sein.
- Sicherheit: Jeder Person soll Zugang zu digitalen Technologien, Produkten sowie Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Diese sollen sicher und so konzipiert sein, dass sie den Schutz der Privatsphäre gewährleisten können.
- Schutz der Privatsphäre, Befähigung sowie Nachhaltigkeit der digitalen Zukunft: Alle haben das Recht auf den Schutz der eigenen personenbezogenen Daten. Dieses Recht inkludiert die Kontrolle darüber, wie Daten verwendet und an wen sie weitergegeben werden. Auch Kinder und Jugendliche sollen dazu befähigt werden, sich sicher im Online-Umfeld zu bewegen, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Um Umweltschäden zu vermeiden und eine Kreislaufwirtschaft zu fördern, sollen Digitalprodukte und –dienstleistungen so konzipiert werden, dass negative ökologische sowie soziale Konsequenzen so gering wie möglich gehalten werden.
Zentral ist bei diesen Überlegungen, dass die digitale Transformation am Interesse europäischer Personen ausgerichtet sein soll. Allen Menschen soll es ermöglicht werden, am digitalen Wandel teilzuhaben. Europäische Werte sollen nicht nur online, sondern auch offline geachtet werden. Mit den digitalen Rechten und Grundsätzen sollen Menschen in ihrem Alltag begleitet werden. Dazu gehören: erschwingliche sowie schnelle digitale Netzanbindungen überall in der EU und für alle in der EU, digital kompetente Lehrkräfte und gut ausgestattete Klassenzimmer, ein sicheres Digitalumfeld für Kinder, nahtlose Zugänge zu öffentlichen Diensten, die Option, nach Feierabend nicht erreichbar zu sein, die Verfügbarkeit verständlicher Informationen über Auswirkungen der Digitalprodukte auf die Umwelt sowie das Kontrollieren der Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten.
Digitale Rechte und Grundsätze, die in dieser Erklärung festgehalten sind, ergänzen bereits bestehende Rechte – allem voran die EU-Grundrechtecharta, aber auch Datenschutzrechte sowie Rechte, die dem Schutz der Privatsphäre dienen.
Welche nächsten Schritte sind geplant?
Damit die Erklärung verabschiedet werden kann, müssen der Rat der EU-Staaten sowie das Europäische Parlament noch zustimmen. Ein jährlicher Bericht der EU-Kommission soll dazu beitragen, den Stand der digitalen Dekade laufend zu bewerten. Dafür werden Fortschritte überwacht, etwaige Lücken regelmäßig bewertet und Empfehlungen für weitere konkrete Maßnahmen gegeben. Man strebt an, dass diese Grundsätze als weltweiter Standard gefördert werden. Bis zum Sommer 2022 soll der Entwurf auf höchster Ebene gebilligt werden.
Digitale Rechte und Grundsätze: Stimmen zu dem Entwurf
Margrethe Vestager ist die für das Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin. Sie zeigt sich begeistert: „Wir wollen sichere Technologien, die für die Menschen funktionieren und unsere Rechte und Werte achten, auch wenn wir online sind. Und wir wollen, dass jeder in die Lage versetzt wird, sich aktiv an unseren zunehmend digitalisierten Gesellschaften zu beteiligen. Diese Erklärung gibt uns einen klaren Bezugspunkt im Hinblick auf die Rechte und Grundsätze in der Online-Welt.“
Doch auch kritische Stimmen sind zu vernehmen. Der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) sprach von Heuchelei: Einerseits werde das Recht auf vertrauliche Kommunikation laut EU-Kommission als von höchster Bedeutung bewertet. Andererseits würden durch die Vorratsdatenspeicherung Informationen über Kommunikationen gesammelt: „Man kann nicht einerseits das Recht auf vertrauliche Kommunikation predigen und gleichzeitig mit einer Chatkontrolle die privaten Nachrichten aller EU-Bürger auf unseren Handys verdachtslos überwachen wollen“, resümiert er.
Digitale Rechte sind von hoher Bedeutung für künftige Gesetzgebungen
Die Basis für digitale Rechte und Grundsätze ist mit diesem Entwurf gelegt – und sie klingen vielversprechend: Sie könnten nicht nur die digitale Transformation und damit den digitalen Fortschritt fördern, sondern beziehen auch soziale Aspekte wie Nachhaltigkeit, Teilhabe und soziale Verantwortung mit ein.
Nichtsdestotrotz müssen die kritischen Stimmen wie die Überlegungen Breyers miteinbezogen werden. In dem Entwurf existiert kein einziges Wort über das Recht auf Verschlüsselung, dem Grundstein der vertraulichen Kommunikation, die wiederum postuliert wird. Da die Erklärung über digitale Rechte und Grundsätze bestehende Rechte wie die EU-Grundrechtecharta, Datenschutzrechte und Rechte zum Schutz der Privatsphäre sinnvoll ergänzen soll, ist davon auszugehen, dass sie eine hohe Bedeutung für die künftige Gesetzgebung haben wird.