Europäische Datenräume – kommt der EU-Datenbinnenmarkt?
Fällt der Begriff „Datentransfer“, so denken wir in aller Regel zunächst an Daten, die Europa verlassen und in Drittländer reisen sollen. Doch wie sieht das Verwenden von Daten innerhalb der Europäischen Union aus? Darüber macht sich auch die EU-Kommission Gedanken. Ein neuer Rechtsrahmen soll das gemeinsame Nutzen öffentlicher sowie privater Daten regeln, man möchte europäische Datenräume schaffen. Kommt nun also der EU-Datenbinnenmarkt?
Digitalstrategie für europäische Datenräume
Mithilfe einer Anfang vorigen Jahres vorgestellten Digitalstrategie soll die Europäische Union (EU) „zur attraktivsten, sichersten und dynamischsten datenagilen Wirtschaft der Welt“ werden. Demnach möchte die EU-Kommission zehn „sektor- und bereichsspezifische Datenräume“ schaffen, außerdem möchte man die Daten mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) besser nutzen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich begeistert bei der Vorstellung dieser Pläne: „Wir stellen heute unsere Ziele für die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas vor. Sie decken alles von der Cybersicherheit über kritische Infrastrukturen, digitale Bildung und Kompetenzen bis hin zu Demokratie und Medien ab. Ich will, dass dieses digitale Europa das Beste widerspiegelt, das Europa zu bieten hat – Offenheit, Fairness, Vielfalt, Demokratie und Vertrauen.“
Europäische Datenräume: Relevanz von Daten steigt massiv
Die EU möchte erreichen, dass Daten innerhalb der Europäischen Union künftig leichter ausgetauscht werden können, weiter möchte man technische Innovationen vorantreiben. Es sollen Datensets entstehen, von denen Behörden, die Wissenschaft, aber auch Unternehmen in der EU profitieren können. Von der Leyen erklärt: „Je mehr Daten wir haben, desto klüger werden unsere Algorithmen.“
Für von der Leyen sei deshalb der Zugang zu diesen wertvollen Daten entscheidend – es gäbe ein riesiges Potenzial, bislang jedoch ungenutzt. Deshalb sei es Ziel, für einzelne Sektoren wie dem Gesundheitssystem, den Bereichen Verkehr oder Klimaschutz eigene Datenräume zu schaffen, in denen die Daten gespeichert und hindernisfrei ausgetauscht werden könnten.
Dass nicht nur die Menge, sondern auch die Relevanz von Daten immens zunimmt, zeigt die EU-Kommission in ihrem oben verlinkten Strategiepapier ebenfalls auf: „Die von öffentlichen Stellen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern erzeugten Datenmengen nehmen ständig zu. Zwischen 2018 und 2025 wird mit einem Anstieg um das Fünffache gerechnet. Diese neuen Vorschriften werden die Möglichkeit eröffnen, die Daten zu nutzen, und den Weg für sektorale europäische Datenräume ebnen, die der Gesellschaft, den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen zugutekommt.“
Daten-Governance-Gesetz soll Europa zum führenden Datenkontinent machen
Um das gemeinsame Verwenden von öffentlichen sowie privaten Daten in einen Rechtsrahmen zu packen, legte Brüssel einen Entwurf für ein „Daten-Governance-Gesetz“ vor. Beim Präsentieren dieser Pläne erklärte EU-Digitalkommissar Thierry Breton: „Flankiert von den richtigen Investitionen und zentralen Infrastrukturen wird unsere Verordnung dazu beitragen, dass Europa zum weltweit führenden Datenkontinent wird.“
Das ist ein ambitioniertes Ziel! Gemäß der EU-Kommission soll „die Verordnung über Daten-Governance […] dafür sorgen, dass mehr Daten für die Wirtschaft und Gesellschaft in der EU zugänglich gemacht werden, und sie wird den Bürgerinnen und Bürgern wie den Unternehmen mehr Kontrolle über die von ihnen erzeugten Daten verschaffen.“ Die EU-Kommission möchte also einen Rahmen dafür schaffen, dass Verkehrsteilnehmende Mobilitätsdaten freiwillig zur Verfügung stellen, sodass andere Verkehrsteilnehmenden davon profitieren könnten.
Europäische Datenräume als Alternative zu US-Riesen
Die europäischen Datenräume inklusive dem Daten-Governance-Gesetz sollen also den Rechtsrahmen dafür bilden, öffentliche und private Daten in der Europäischen Union gemeinsam zu verwenden. Neben dem unionsweiten Datenaustausch verfolgt die Digitalstrategie auch das Ziel, den Datenaustausch zwischen Sektoren zu erleichtern. Bürger:innen sollen mehr Kontrolle über ihre Daten erhalten, wobei mehr Daten – auf möglichst freiwilliger Ebene – für die Wirtschaft und die Gesellschaft in der Europäischen Union zugänglich gemacht werden sollen. Die Verordnung zur Daten-Governance der europäischen Datenräume umfasst diverse zentrale Aspekte:
- Maßnahmen zum Stärken des Vertrauens ins gemeinsame Nutzen von Daten
- Schaffen neuer EU-Vorschriften zur Neutralität,
- Maßnahmen zum Erleichtern des Weiterverwendens bestimmter Daten sowie
- Kontrolle über das Nutzen der erzeugten Daten.
Mit dem Schaffen sektoraler europäischer Datenräume wie oben dargelegt, möchte die EU-Kommission auch eine Alternative zu großen US-Technologieplattformen wie Google oder Facebook anbieten und in diesem Rahmen für mehr Datenschutz sorgen.
Europäische Datenräume: EU auf dem Weg zum Datenbinnenmarkt
Die EU-Kommission hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie die Daten innerhalb der EU von A nach B kommen. So sollen die europäischen Datenströme über unabhängige und vertrauenswürdige Organisationen fließen, die ihren Sitz in der EU haben. So sollen digitale Informationen geschützt und der zuverlässige EU-Datenschutz gewahrt bleiben. Auch für gemeinnützige Zwecke möchte die EU-Kommission Daten besser genutzt wissen, etwa beim Thema Gesundheitsdaten. Derlei Datensammlungen sollen immer im Einklang mit den Werten und Grundsätzen der EU angelegt werden.
Bitkom begrüßt europäische Datenräume
Der IT-Branchenverband Bitkom sieht die Pläne der EU positiv: „Der Data Governance Act kann die Grundlage für einen sicheren und souveränen Datenaustausch zwischen Unternehmen, Privatpersonen und der öffentlichen Hand bilden. Es ist richtig, dass das neue Rahmenwerk hierfür bisher ungenutzte Daten öffentlicher Einrichtungen in den Fokus stellt“, erklärte Achim Berg in seiner Funktion als Bitkom-Präsident. Jedoch sieht Berg auch, dass der EU-Vorschlag „die weitverbreiteten Unsicherheiten bei der Nutzung von Daten dringend abbauen“ muss. Berg hofft, dass keine weiteren Pflichten zur Datenlokalisierung mit den EU-Plänen einhergehen, die die Datenverarbeitungen sowie internationale Kooperationen weiter beschränken würden.
Diese Entwicklungen lassen den Schluss zu, dass das gemeinsame Nutzen der Daten mithilfe von europäischen Datenräumen zu einem europäischen Datenbinnenmarkt führt. Das noch verschenkte wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Potenzial von Daten und Technologien wie KI ließe sich unionsweit und branchenübergreifend unter Wahrung des Datenschutzes ausnutzen.
Europäische Datenräume als Chance begreifen
Europäische Datenräume – wie sinnvoll ist diese Idee? Die Vorteile der europäischen Datenstrategie und der geplanten Verordnung liegen auf der Hand: Es entsteht mehr Flexibilität bei weniger Abhängigkeit – insbesondere von großen US-Datenkraken – mit europäischem Datenschutz. Offenbar hat die EU die enorme Relevanz bislang ungenutzter Daten erkannt und treibt nun entsprechende Rahmenbedingungen für deren Nutzung voran. Das ist zu begrüßen; die Ideen und Vorschläge gehen in eine gute Richtung. Abzuwarten bleibt jedoch, wie die finale Umsetzung gestaltet sein wird.