Cyberagentur: Mehr digitale Souveränität für Deutschland?
Im August 2020 gab das Bundesministerium des Innern den Startschuss für die Cyberagentur des Bundes: Die „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH“ befindet sich derzeit in der Gründungsphase. Im heutigen Beitrag zeigen wir Ihnen die geplanten Aufgaben der Cyberagentur auf und fangen verschiedene Stimmen aus Politik und Wirtschaft ein, die sich positiv, aber auch kritisch zur Cyberagentur äußern.
Cyberagentur für Innovationen in der Cybersicherheit
Wie das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) Mitte August 2020 in einer Pressemeldung verkündete, konnte der „Startschuss für die Cyberagentur“ als „wichtiger Schritt zu größerer Technologie-Souveränität“ gegeben werden. Der offizielle Titel der Cyberagentur lässt große Hoffnungen auf eine erhöhte digitale Souveränität in der Bundesrepublik zu: „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH“. Derzeit läuft die Gründungsphase der Cyberagentur, wobei die Geschäftsführung bereits bestellt und ein Interimsstandort in Halle, Sachsen-Anhalt, eingerichtet ist. Bis 2022 soll die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH dann an ihren eigentlichen Standort ziehen: an den Flughafen Leipzig/Halle.
Gemäß der am 15. Juni 2020 unterzeichneten Gründungsurkunde wurde Prof. Dr. Christoph Igel zum Geschäftsführer sowie Forschungsdirektor benannt, Frank Michael Weber ist Kaufmännischer Direktor sowie Geschäftsführer. Ihre Arbeit hat die Agentur bereits am 15. Juni 2020 aufgenommen.
Chronik der Cyberagentur
Mit dem Koalitionsvertrag von 2018 wurde die Cyberagentur vereinbart. Sie soll sich in die Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung einbetten. Die beiden federführenden Bundesministerien, nämlich das BMI sowie das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg), unterzeichneten mit dem Land Sachsen-Anhalt und dem Freistaat Sachsen am 03. Juli 2019 den Letter of Intent (PDF), also die Absichtserklärung. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags befasste sich im vierten Quartal 2019 mit der Gründung der Cyberagentur.
Welche Aufgaben und Ziele verfolgt die Cyberagentur?
Im Wesentlichen soll die Bundes-Cyberagentur zwei Aufgaben verfolgen:
- Die digitale Souveränität der Bundesrepublik soll gestärkt und
- innovative IT-Security-Technologien gefördert werden.
Die Cyberagentur tritt für optimierte Cybersicherheit ein und möchte sich um die Belange von Wirtschaftsunternehmen, Verwaltungen und Behörden, aber auch von Bürgern kümmern.
Dazu soll identifiziert werden, mit welchen neuen und innovativen Technologien diese Ziele erreicht werden können. Parallel zur Förderung derartiger Technologien soll die Cyberagentur auch in der Lage sein, eigene Aufträge fürs Entwickeln neuer Sicherheitslösungen zu vergeben. Die neue Instanz soll darüber hinaus Anlaufstelle für diverse Bundesprogramme werden.
Die Ziele der Cyberagentur beschreibt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) so: „Kernaufgabe der Cyberagentur ist es, die Entwicklung innovativer Technologien der Cybersicherheit voranzutreiben. Wir wollen damit auch unsere digitale Souveränität stärken. Mit der Ansiedlung der Agentur im mitteldeutschen Revier schaffen wir ganz bewusst Arbeitsplätze in einer Region, die vom Strukturwandeln betroffen ist. Das ist gelebte Heimatpolitik.“
In der Pressemeldung des BMI ist außerdem zu lesen, dass die Cyberagentur „Innovationen auf dem Gebiet der Cybersicherheit identifizieren und konkrete Aufträge für die Entwicklung von innovativen Lösungsmöglichkeiten vergeben“ wird. Dabei „plant, steuert und priorisiert die Cyberagentur einzelne Programme und führt sie zusammen.“ Gewonnene Ergebnisse möchte die Cyberagentur auswerten und „diese der Bundesregierung zur Verfügung“ stellen.
Eigentlich waren rund 200 Millionen Euro als Startkapital zwischen 2019 und 2023 eingeplant. Im Zuge der BMI-Pressemeldung aus August 2020 wurde jedoch bekannt, dass das Budget bis 2023 auf 350 Millionen Euro aufgestockt wurde. Die geplanten 100 Beschäftigten arbeiten zunächst aus Halle und voraussichtlich ab 2022 am Flughafen Leipzig/Halle.
Cyberagentur löst positive, aber auch kritische Statements aus
Positive Stimmen sind aus Regierungskreisen zu vernehmen; neben Horst Seehofers oben zitierter Aussage äußerte sich auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer begeistert: „Die Gründung der Cyberagentur ist ein wichtiger Beitrag zur Forschungsförderung und ein Meilenstein zum Schutz unserer IT-Systeme. Die Weiterentwicklung von Ideen und innovativen Ansätzen gerade bei der digitalen Sicherheit verdient unser besonderes Engagement.“
Stephan Thomae, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, sprach vor Gründung der Cyberagentur von „nichts weiter als Schaufensterpolitik und reine Steuerverschwendung“. Marcus Faber sieht das als stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Sachsen-Anhalt anders: „Das ist ein wichtiger Schritt: Für die Region, aber auch für die Sicherheit in Deutschland“, erklärte der FDP-Verteidigungspolitiker.
Eine geradezu vernichtende Kritik hingegen kam vom Bundesrechnungshof, der das Projekt analysiert und daraufhin einen Bericht verfasst hatte, den netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht hatte. Daraus geht hervor, dass der Bundesrechnungshof als oberste Finanzkontrolle den Sinn des Projekts komplett in Frage stellt. So warnte der Bundesrechnungshof sechsmal vor „staatlicher Mehrfachförderung“. Weiter bestünde dem Bericht zufolge die Gefahr, dass sich die Bundes-Cyberagentur nicht „von anderen Forschungsorganisationen abgrenzen lässt“. Dass das Budget von einst 222 Millionen Euro auf 365 Millionen Euro aufgestockt werden musste, wird ebenfalls heftig kritisiert – vor allem angesichts der Tatsache, dass der Sinn der Cyberagentur selbst in Frage gestellt wurde. Laut Bundesrechnungshof gäbe es zahlreiche Behörden für „Cyber“, die vom Bund auch entsprechend gefördert würden. Eine weitere Anlaufstelle, die geplante Finanzierung sowie das Personal seien wenig zielführend.
Cyberagentur des Bundes: Einheitlichkeit wäre wünschenswert
Grundsätzlich klingt die Idee gut: Eine Cyberagentur, die innovative Cybersicherheit fördert, ist im digitalen Zeitalter sicherlich eine großartige Investition in die Zukunft und Zukunftsfähigkeit. Dass die Bundesrepublik ihre digitale Souveränität fördern möchte, dass dieser Bedarf überhaupt erkannt wurde, ist definitiv als positiv zu bewerten.
Ohne ein Aber geht es jedoch nicht: So ganz von der Hand zu weisen ist die Kritik des Bundesrechnungshofs nämlich nicht. Tatsächlich gibt es diverse Behörden, die sich ähnliche Ziele auf die Agenda gesetzt haben: Die Bundeswehr unterhält einen Cyber Innovation Hub, die Universität der Bundeswehr forscht im Institut Cyber Defense (CODE), das Forschungsministerium finanziert diverse Kompetenzzentren für IT-Sicherheitsforschung, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt laufende Empfehlungen für Cybersicherheit, die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) möchte nach eigenen Aussagen „Unterstützung und Expertise für Sicherheitsbehörden“ sein und mit dem Bund als Gesellschafter gibt es auch noch die Agentur für Sprunginnovation mit dem Ziel, disruptive Technologien zu fördern.
Noch ist die Cyberagentur in der Gründungsphase. So kann es noch gelingen, sich durch eine effiziente Umsetzung der ambitionierten Ziele der Cyberagentur von anderen Behörden deutlich abzugrenzen. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn die eben aufgezählten und weitere Behörden, die was mit „Cyber“ zu tun haben, einmal zusammenfinden, um Kompetenzen abzugrenzen. In der Folge könnte man mit einem einheitlichen Vorgehen gemeinsam dafür sorgen, dass die Bundesrepublik an digitaler Souveränität gewinnt.
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