Strengere Informationspflichten dank DSGVO: Aufbewahrungsfristen
Die Informationspflichten seitens Unternehmen sind seit Bestehen der DSGVO deutlich strenger geworden. Auch auf die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen wirkt sich dies aus. Unseren heutigen Ratgeber möchten wir dafür nutzen, Sie über die Aufbewahrungsfristen und der damit verbundenen Löschpflicht aufzuklären.
Aufbewahrungsfristen – wozu eigentlich?
Wir alle versuchen, Papier und Müll einzusparen – doch nicht jede Quittung darf in den Papierkorb. Es gilt, die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zu wahren. Wozu eigentlich? Klar: Wenn die Unterlagen aufbewahrt werden, kann man im Bedarfsfall auf diese zurückgreifen. Der häufigste Grund, das zu tun, sind Betriebsprüfungen in Unternehmen, die Unterlagen zu abgeschlossenen Geschäften dringend aufbewahren sollten.
Auch kann es, etwa in Produktionsbetrieben, um die Gewährleistungspflicht gehen: Im Rahmen der Produkthaftung kann es notwendig werden, auf alte Geschäftsunterlagen zuzugreifen. Dritte können innerhalb laufender Verjährungsfristen rechtswirksame Ansprüche stellen. Nur bei vorhandenen Unterlagen gelingt es, beweiskräftig vorzugehen. Gerichte können darüber hinaus in Rechtsstreitigkeiten entweder auf Antrag oder aber von Amts wegen das Vorlegen von Dokumenten fordern. Bei Vermögensauseinandersetzungen wie Erbschafts- oder Gesellschaftsteilungssachen können solche Dokumente erforderlich werden.
Unter der Aufbewahrungspflicht selbst versteht der Gesetzgeber die Rechtspflicht, bestimmte Unterlagen für handels- oder steuerrechtliche Zwecke sortiert aufzubewahren, sodass bedarfsweise auf sie zurückgegriffen werden kann. Für Deutschland finden sich die gesetzlichen Grundlagen für die Aufbewahrungsfristen in § 14b UStG, § 147 AO sowie § 257 HGB. Aus § 14 Art. 13 DSGVO ergibt sich eine weitere Gesetzesgrundlage: In der Datenschutzerklärung eines Unternehmens auf seiner Website müssen die Aufbewahrungspflichten über die erhobenen und verarbeiteten Nutzerdaten nebst Rechtsgrundlage genannt werden.
Schriftstücke und Unterlagen innerhalb der Aufbewahrungsfristen sollten idealerweise wie folgt behandelt werden:
- So lang wie nötig: Bewahren Sie Unterlagen nur so lange wie notwendig auf.
- Übersichtlichkeit: Halten Sie Ihren Aktenbestand übersichtlich. Halten Sie nur jene Akten vor, die tatsächlich noch benötigt werden.
- Fristen festhalten: Halten Sie die Aufbewahrungsfristen für Ihre Unterlagen eindeutig, verbindlich und nachweisbar fest.
- Prozesse vereinfachen: Durch Automatisierung können Sie den Aussonderungsprozess nicht mehr benötigter Unterlagen vereinfachen.
Konkret: Aufbewahrungspflichten für geschäftlich und privat
Gewerbetreibende sowie Privatpersonen müssen bestimmte gesetzliche Aufbewahrungsfristen einhalten. Welche das für welche Unterlagen sind, erfahren Sie im Folgenden.
Aufbewahrungsfristen für Unternehmen
Als Teil der steuerlichen und handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht sind die Aufbewahrungsfristen für jeden relevant, der steuer- oder handelsrechtlich zum Führen von Büchern sowie Aufzeichnungen verpflichtet ist. Unterschieden werden Fristen von sechs und zehn Jahren. In § 147 AO sind aufbewahrungspflichtige Unterlagen genannt:
- Inventare,
- Bücher und Aufzeichnungen,
- Lageberichte,
- Jahresabschlüsse, die aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bestehen,
- Eröffnungsbilanz,
- empfangene sowie versandte Geschäfts- und Handelsbriefe,
- Arbeitsanweisungen sowie sonstige Organisationunterlagen, die zum Verständnis weiterer Unterlagen beitragen,
- Buchungsbelege,
- weitere Unterlagen, wenn sie zur Besteuerung relevant sind.
Weiter sind in § 257 Abs. 1 HGB Unterlagen genannt, die jeder Kaufmann geordnet aufzubewahren hat:
- Inventare, Handelsbücher, Eröffnungsbilanzen, Einzel- sowie Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzernlageberichte und -abschlüsse sowie jedwede Unterlagen, die zu ihrem Verständnis beitragen,
- alle empfangenen und versendeten Handelsbriefe,
- Buchungsbelege in den zu führenden Büchern.
Unter einem Handelsbrief versteht der Gesetzgeber jede Korrespondenz, die zum Vorbereiten, Durchführen oder Rückgängigmachen eines Geschäfts versendet und empfangen wurde. Darunter fällt nicht nur konventionelle Briefpost, sondern auch E-Mails, Faxe und andere Korrespondenz.
Betriebsinterne Aufzeichnungen wie Arbeits- oder Fahrberichte sind nicht aufbewahrungspflichtig. Vernichten Sie diese Unterlagen zeitnah, sie müssen weder dem Außenprüfer noch dem Steuerfahnder vorgelegt werden.
Die 10-jährige Aufbewahrungsfrist gilt für die folgenden Unterlagen:
- Aufzeichnungen und Bücher,
- Inventare,
- Jahresabschlüsse,
- Lageberichte,
- Buchungsbelege,
- Eröffnungsbilanz einschl. zum Verständnis notwendigen Arbeitsanweisungen oder Organisationsunterlagen,
- Rechnungen,
- Unterlagen, die Zollanmeldungen beigefügt und mittels Datenverarbeitung abgegeben werden (ATLAS), falls die zuständige Zollbehörde auf ihre Vorlage verzichtet.
Für alle anderen aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen gilt die 6-jährige Aufbewahrungspflicht: Empfangene und versendete Geschäfts- und Handelsbriefe sowie sonstige Unterlagen, die fürs Besteuern relevant sind.
Aufbewahrungsfristen für Privatpersonen & Selbstständige
Auch Privatpersonen müssen Aufbewahrungsfristen einhalten. Ein Leben lang aufbewahrt werden standesamtliche Urkunden wie Heirats- oder auch Sterbeurkunden, Schulzeugnisse, ärztliche Gutachten oder Belege über Wohneigentum. Bis zur Rente werden Unterlagen aufbewahrt, die den beruflichen Werdegang dokumentieren (Arbeitsverträge, Gehaltsabrechnungen, Sozialversicherungsnachweise etc.).
Über ihre Laufzeit hinweg werden Versicherungsunterlagen für sämtliche vorhandenen Policen aufgehoben, ebenso Ihre Unterlagen zu Finanzen und Vorsorge. Nachweise für Ihre Hausratversicherung wie Belege von Ihren Möbeln heben Sie für die gesamte Gebrauchsdauer auf. Bewahren Sie bitte Gerichtsurteile, Mahnbescheide oder Kreditunterlagen 30 Jahre lang auf. Solche Informationen müssen über diesen langen Zeitraum nachvollziehbar bleiben.
Weniger aufwendig werden die folgenden Aufbewahrungsfristen: Sechs Jahre heben Sie bitte Steuerbescheide sowie eingereichte Steuerunterlagen von Steuerpflichtigen auf, wenn die Summe positiver Einkünfte 500.000 Euro pro Kalenderjahr übersteigt. Vier Jahre heben Sie Ihre Bankunterlagen wie Kontoauszüge oder Überweisungsträger auf. Mietverträge, Kautionsquittungen sowie Übergabeprotokolle von Wohnungen und Häusern sind drei Jahre aufzubewahren. Lagern Sie Kassenbelege zwei Jahre, wenn die Gewährleistungszeit ebenfalls zwei Jahre beträgt. Handwerkerrechnungen bewahren Sie ebenfalls zwei Jahre lang auf, es sei denn, es geht um die Errichtung von Bauwerken: Dann heben Sie die Rechnungen bitte fünf Jahre lang auf.
Aufbewahrungsfristen in der Praxis
Die Aufbewahrungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Ende des Kalenderjahrs, in dem das Dokument angefertigt wurde. Nehmen wir an, Sie haben den Jahresabschluss 2018 erst im März 2019 erstellt und beim Finanzamt eingereicht. Die Aufbewahrungsfrist beginnt erst am 01.01.2020 und dauert an bis zum 31.12.2029. Ihre Unterlagen dürfen Sie erst am 01.01.2030 entsorgen – und zwar nur dann, wenn diese Unterlagen nicht mehr für steuerliche Zwecke relevant sind. Besprechen Sie sich gerne mit Ihrem Steuerberater.
Wichtig: Die Aufbewahrungsfristen von Verträgen berechnen sich anders! Für Sozialversicherungs-, Miet- oder andere Verträge beginnt die Aufbewahrungspflicht erst mit dem Ende der Vertragsdauer. Unter bestimmten Umständen können sich auch die oben erwähnten Aufbewahrungsfristen verlängern: Etwa wenn die Unterlagen für das Kalkulieren der Steuern von Bedeutung sind und die sogenannte „Fristsetzungsfrist“ der Steuern gemäß AO noch nicht abgelaufen ist.
Empfehlenswert ist es, mit Systemen zu arbeiten, die den Prozess des Aussortierens vereinfachen. Solche Systeme lassen sich für die digitale Form genauso erstellen wie in physischer Form. Sortieren Sie nur aus, wenn Sie sich sicher sind, dass die Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind. Ziehen Sie im Zweifel Ihren Steuerberater zurate.
Digital oder physisch – Arten der Aufbewahrung
Grundsätzlich ist die digitale Form der Aufbewahrung gestattet – Sie müssen in Ihrem Keller also keinen Platz für physische Archive schaffen. Ungeachtet der Aufbewahrungsform ist eines wichtig: Die Unterlagen müssen während der gesamten Aufbewahrungsfrist lesbar sein. Der Gesetzgeber schreibt für das Aufbewahren bestimmter Geschäftsunterlagen Formen vor:
- Bewahren Sie Jahresabschlüsse sowie Eröffnungsbilanzen im Original auf.
- Rechnungen, Handels- sowie Geschäftsbriefe, die Sie empfangen haben, sind so aufzubewahren, dass eine bildliche Wiedergabe dem Original gleicht.
- Zur Aufbewahrung von elektronisch übermittelten Rechnungen äußerte sich das BMF im Juli 2012 (PDF). Demnach sind neben der Rechnung auch die zugrundeliegenden Schriftstücke wie Angebot oder Organisationsnotizen aufzubewahren, die als Nachweis zur Echtheit und Unversehrtheit der Daten gelten.
- Für alle weiteren aufbewahrungspflichtigen Unterlagen genügt eine inhaltlich übereinstimmende Wiedergabe („inhaltliche Wiedergabe“).
Moderne Archivierungssoftware unterstützt Sie bei Ihrem digitalen Archiv. So erfüllen Sie Ihre Pflichten zur revisionssicheren Archivierung, und damit die Anforderungen aus der DSGVO. Zu beachten ist, dass Bewerbungsunterlagen in der Regel nach sechs Monaten gelöscht werden müssen, soweit die Stellensuchenden einer längeren Aufbewahrung nicht zugestimmt haben.
Natürlich werden auch E-Mails und alles, was Sie elektronisch empfangen und versenden, nicht von der Aufbewahrungsfrist ausgenommen. Im Falle von Bewerbungen ist es ratsam, eine individuelle E-Mail-Adresse für den Bewerbungsempfang (z. B. „bewerbung@firma.de“) einzurichten, um den Löschpflichten der DSGVO nachzukommen. In unserem Artikel „Rechtssichere E-Mail-Archivierung: Transparenzpflichten erfüllen“ sind wir konkret geworden und geben Ihnen praktische Tipps an die Hand.
Folgen bei Verstößen gegen die Aufbewahrungsfristen
Da die Beweislast in der Rechtssprechung immer beim Steuerpflichtigen liegt, ist es zu Ihrem eigenen Nachteil, wenn Sie gegen die Aufbewahrungsfristen verstoßen. Als Steuerpflichtiger sind Sie in der Pflicht, steuerentlastende und -mindernde Tatsachen zu beweisen. In der Folge ist die Finanzbehörde berechtigt, aufgrund von Mangel an Beweiskraft Ihre Besteuerungsgrundlagen zu schätzen – und das kann teuer werden! Denn schlimmstenfalls wird der Höchstbetrag für Unternehmen angesetzt. So könnte die Finanzbehörde Vergleichszahlen aus der Branche als Grundlage für die Berechnung nutzen.
Ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsfristen ist immer auch ein Verstoß gegen die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Verletzen Sie diese Pflichten, können Sanktionen die Folge sein. Geldbußen in Höhe von 5.000 Euro bei Unternehmen und 500 Euro bei Privatpersonen sind relativ üblich. An die rechtzeitige Löschung von personenbezogenen Daten muss ebenfalls gedacht werden.
Aufbewahrungsfristen sind eine gute Grundlage für die Erstellung eines Löschkonzeptes, dessen Notwendigkeit sich aus den Vorgaben der Datenschutz-Grundveordnung (DSGVO) ergibt. Wie wichtig die Löschpflicht für Unternehmen ist, zeigte jüngst ein Bußgeld in Millionenhöhe. Im Oktober 2019 hatte sich die Deutsche Wohnen SE ein Bußgeld in Höhe von rund 14,5 Mio. Euro von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit eingefangen, weil ihre eingesetzte Software keine geeigneten Löschroutinen hatte.
Nicht nur aufgrund dieser möglichen Sanktionen ist es ratsam, die Aufbewahrungspflichten einzuhalten. Auch in Fällen, in denen Vollmachten und Urkunden fehlen, können Gerichtsprozesse einen unerfreulichen Ausgang haben. Neu erworbene Immobilien, bei denen nicht durch die Unterlagen nachgewiesen werden kann, dass Mängel bestanden haben, können richtig teuer werden. Im Interesse jedes Unternehmers, Selbstständigen und auch jeder Privatperson sind die Aufbewahrungsfristen einzuhalten.